zu den Früherkennungsuntersuchungen sowie zum Bayerischen Gesamtkonzept zum Kinderschutz

Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern hat sich der Freistaat Bayern gegen die Einführung eines sog. Einlade- und Meldewesens hinsichtlich der Früherkennungsuntersuchungen entschieden. Vorzugswürdig ist das Bayerische Modell: Pflicht zur Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen aus Gründen der Gesundheitsvorsorge einerseits – frühe, interdisziplinäre Maßnahmen zur Verbesserung des Kinderschutzes andererseits. Dabei Nutzung bestehender Strukturen und Kompetenzen, insbesondere konsequentes Vorgehen bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung.

Die Einführung eines umfassenden Einlade- und Meldewesens hinsichtlich der Früherkennungsuntersuchungen erscheint zur Verbesserung des Kinderschutzes nicht geeignet und auch nicht verhältnismäßig. Solche Verfahren sehen einen umfassenden Datenabgleich zwischen den Meldedaten aller Kinder und den Meldungen der Ärzte über die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen vor. Bei Nichtteilnahme sollen nachgehende Interventionen durch das Gesundheits- oder Jugendamt erfolgen. Obgleich die Nichtinanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen erste Hinweise auf mögliche Vernachlässigungen geben kann, ist eine kausale Verknüpfung von Nichtinanspruchnahme und Kindeswohlgefährdung und der mit einem Tracking verbundene hohe Einsatz personeller Ressourcen in Relation zum kaum nachweisbaren Nutzen nicht zu begründen.

Zur Verhinderung von Kindeswohlgefährdungen sind zielgerichtete Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere aufsuchende Hilfen und die gezielte Förderung von Risikofamilien, besser geeignet. Um Risikofamilien frühzeitig erkennen und ihnen gezielte Unterstützung anbieten zu können, ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsbereich und Kinder- und Jugendhilfe entscheiden. Als intensivste Form der Zusammenarbeit wurden im Rahmen des zweijährigen länderübergreifenden Modellprojektes „Guter Start ins Kinderleben“ (Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen; Projektleitung: Herr Prof. Dr. Fegert und Frau Prof. Dr. Ziegenhain, Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm, weitere Informationen siehe auch www.uniklinik-ulm.de/struktur/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatriepsychotherapie/home/forschung/forschungsprojekte/guter-start-ins-kinderleben.html.) in Bayern 2006 – 2008 an den bayerischen Modellstandorten (Erlangen und Traunstein) sog. Koordinierende Kinderschutzstellen erprobt. Ziel war die frühzeitige Erkennung von Risikofaktoren sowie die systematische Vernetzung Früher Hilfen für belastete Familien. Die Erfahrungen in den Modellstandorten haben sehr schnell gezeigt, dass dieser Weg wesentlich zur Optimierung des Kinderschutzes insbesondere im präventiven Bereich beiträgt.

Deshalb hat die Bayerische Staatsregierung bereits am 12. Februar 2008 beschlossen, von der Modellphase in eine regelhafte Förderung entsprechender interdisziplinärer Netzwerke überzugehen und bayernweit die Jugendämter sowohl finanziell wie fachlich bei Schaffung und Pflege entsprechender regionaler interdisziplinärer Netzwerke verlässlich zu unterstützen. Seit 2009 gibt es hierzu das KoKi-Regelförderprogramm des StMAS, (HH-Ansatz 2011/2012: jährlich über 4 Mio. €) womit die erfolgreichen Ergebnisse nachhaltig und flächendeckend in regelhafte Strukturen implementiert werden konnten. Das Konzept wurde aufbauend auf den Erfahrungen der bayerischen Modellstandorte gemeinsam mit der Praxis der bayerischen Jugendhilfe weiterentwickelt

Bayern ist damit bei der systematischen Etablierung früher Hilfen bundesweiter Vorreiter. Das KoKi-Konzept ist Vorbild und Pate für die im BKiSchG in § 3 KKG geforderten interdisziplinären Netzwerke. Weitere Informationen zu den KoKi-Netzwerken frühe Kindheit siehe Ziffer 2.4.2. sowie www.koki.bayern.de.

Zu den einzelnen Kontrollpunkten der Einhaltung der Pflicht zur Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen:

  • Weitere Informationen zum Erhalt des Landeserziehungsgeldes sind abrufbar unter www.stmas.bayern.de/familie/leistungen/bayern.phpwww.zbfs.bayern.de/imperia/md/content/blvf/erziehungsgeld/info_landeserziehungsgeld_0312.pdf sowie www.zbfs.bayern.de/erziehungsgeld/. Das Landeserziehungsgeld ist abhängig vom Nachweis der Durchführung der U 6 bzw. U 7 (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayLErzGG). Über 40 % der bayerischen Familien nehmen derzeit das Landeserziehungsgeld in Anspruch; etwa 3 % aller gestellten Anträge müssen wegen nicht durchgeführter Früherkennungsuntersuchung U 6 bzw. U 7 abgelehnt werden. Wird daher der Nachweis der maßgeblichen Früherkennungsuntersuchung nicht vorgelegt, kommt - zusätzlich zur Versagung der Leistung - eine Meldung der Nichtvorlage an das zuständige Jugendamt in Betracht.
  • Bei der Anmeldung zum Besuch einer Kindertageseinrichtung sollen die Personenberechtigten eine Bestätigung der Teilnahme des Kindes an der letzten fälligen altersentsprechenden Früherkennungsuntersuchung (Untersuchungen U 1 bis U 9 sowie J 1) vorlegen. Dasselbe gilt bei der Aufnahme eines Kindes in Tagespflege. Das pädagogische Personal und die Tagespflegepersonen sind bei Nichtvorlage einer Bestätigung verpflichtet, die Personensorgeberechtigten anzuhalten, die Teilnahme ihres Kindes an den Früherkennungsuntersuchungen (Art. 14 Abs. 1 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes) sicherzustellen. Auf den Besuch der Kindertageseinrichtung hat die Nichtvorlage hingegen keinen Einfluss. Je nach Einzelfall kann auch die Einschaltung weiterer Stellen erforderlich sein. Werden in der Kindertageseinrichtung Anhaltspunkte für die konkrete Gefährdung des Wohls eines Kindes bekannt, hat die pädagogische Fachkraft auf die Inanspruchnahme geeigneter Hilfen seitens der Eltern hinzuwirken und erforderlichenfalls nach Information der Eltern den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinzuzuziehen.
  • Siehe hierzu insbesondere § 3 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (AVBayKiBiG; www.blja.bayern.de/textoffice/gesetze/avbaykibig/index.html).
  • Weitere Informationen zur Durchführung der Schuleingangsuntersuchung sind abrufbar unter www.lgl.bayern.de/gesundheit/praevention/kindergesundheit/schuleingangsuntersuchung.